Wenn ich mich jetzt infizieren würde, ist mein Immunsystem gewappnet gegen das Virus, verfüge ich über wirksame Antikörper?“ Diese Frage stellen sich viele gerade - Geimpfte, Genesene und Nichtgeimpfte, die vielleicht schon einmal unbemerkt eine symptomlos verlaufene Infektion durchgemacht haben könnten. Liefern Antikörper-Tests darauf verlässliche Antworten? Leider nein.
Antikörpertests sollen Aussagen darüber erlauben, ob er überhaupt vorhanden und wenn ja wie stark der Immunschutz ist, wie lange er anhält und ob eventuell bereits eine dritte Impfdosis anzuraten ist. Seitens der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) heißt es dazu: „Im Fall von Covid-19 gibt es noch keinen Schwellenwert für neutralisierende Antikörper und somit hat deren Bestimmung wenig Aussagekraft für den Schutz vor der Erkrankung.“ Die Kosten dafür, die je nach Test zwischen 25 und 55 Euro betragen können, werden von den Kassen in der Regel nicht übernommen.
Immunsystem zu komplex für verlässliche Aussagen von Tests
Unser Immunsystem ist komplex und bekämpft Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Pilze auf der Haut, im Gewebe und in Körperflüssigkeiten. Es besteht aus der angeborenen (unspezifischen) und der erworbenen (spezifischen) Abwehr. Beide Arten sind eng verbunden und haben unterschiedliche Aufgaben.Während das angeborene System aus dem Schutz durch Haut und Schleimhäuten sowie durch Abwehrzellen und Eiweißen besteht, gehören zur erworbenen Abwehr die T-Zellen und B-Zellen im Gewebe sowie Antikörper im Blut. Das angeborene Immunsystem reagiert als erstes, sehr schnell und immer gleich auf Eindringlinge. Wenn etwa Bakterien durch eine Wunde in die Haut eindringen, kann es diese rasch aufspüren und zerstören. Wenn es ihm nicht gelingt, alle Erreger zu vernichten, übernimmt das erworbene Immunsystem.Das geht dann gezielt gegen Bakterien oder Viren vor. Dazu muss es den Feind zuerst aber erkennen. Danach ist es sehr effektiv und kann sich den Angreifer auch „merken“. Dieses Abwehr-Gedächtnis sorgt dafür, dass beim neuerlichen Kontakt mit dem Erreger die spezifische Immunantwort sehr rasch eingeleitet wird, sodass die zweite Infektion ohne oder mit nur milden Symptomen verläuft. Bei einer Titerbestimmung (Schutztiter, Impftiter) geht es um die neutralisierenden Antikörper, die bei der Immunantwort eine wesentliche Rolle spielen. Das sind Eiweiß-Zucker-Verbindungen im Blut. Sie werden von den B-Lymphozyten gebildet, um Fremdstoffe und Erreger spezifisch abzuwehren. Sie erkennen die Erreger schnell und binden sich an deren Oberfläche. Dadurch neutralisieren sie die fremden Substanzen oder Strukturen, die man Antigene nennt, und locken gleichzeitig weitere Abwehrzellen an.
Kontroverse Titer-Diskussion
In der Ärzteschaft wird immer wieder darüber diskutiert, wann und bei welchen Impfungen eine Bestimmung der Antikörperkonzentration sinnvoll ist. Da jeder Mensch anders auf eine Impfung reagiert, kann man nie von einem vollständigen Schutz ausgehen. So kommt es in vereinzelten Fällen immer wieder vor, dass geimpfte Menschen mit hoher Konzentration von Antikörpern im Blut, dennoch zum Beispiel an Tetanus erkranken. Auf der anderen Seite bedeutet ein negativer Antikörpertest nach einer Impfung nicht zwingend, dass man nicht geschützt ist. Bei der Hepatitis B-Impfung weiß man zum Beispiel, dass bis zehn Prozent sogenannte Non-Responder sind, das heißt, dass nach der Impfung keine oder nur eine sehr geringe Zahl von Antikörpern im Blut nachweisbar sind. Da es außer den neutralisierenden Antikörpern aber auch eine zelluläre Immunantwort gibt, kann der Geimpfte dennoch geschützt sein. Diese Unsicherheiten treffen in vollem Umfang auch bei den aktuellen Corona-Virus-Varianten auf den Immunstatus von Geimpften und Genesenen zu. Die Fachwelt ist sich weitgehend einig darüber, dass ein Antikörpertest nur in seltenen Fällen – etwa bei immungeschwächten Menschen nach Chemotherapie oder Transplantation - sinnvoll ist, da er nur bedingt Auskunft über die Immunität gibt. Auch das nationale Impfgremium Österreichs rät daher derzeit wegen der geringen Aussagekraft und Verlässlichkeit von
Antikörpertests ab.