Das Verhalten jugendlicher Fahranfänger ist stark von psychischen Entwicklungsschritten wie Identitätsfindung und Risikobereitschaft geprägt. Fahrsicherheitstraining und Gruppengespräche sorgen präventiv für mehr Verkehrssicherheit.
Ob durch Ablenkung mit Handys, Raserei oder Alkohol und Drogen, viele jugendliche Fahranfänger haben ein höheres Unfallrisiko als andere Altersklassen.
Bei dem Jugendlichen im Alter von 17 -20 Jahren spielt die Gruppenzugehörigkeit eine große Rolle. Die Ablösung vom Elternhaus bewirkt unter anderem, dass die Eltern in dieser Zeit weniger Einfluss auf ihre Kinder haben. Diese Pubertätsphase wird auch als zweite psychische Geburt bezeichnet. Das heißt, alte Regeln werden oftmals abgelöst durch Einflüsse aus der Peergruppe. Auch die ersten Erfahrungen mit Alkohol, Nikotin und Drogen hängen sehr stark von der Gruppe, in der sich der Jugendliche befindet, ab
Hirnphysiologische Entwicklungen
Der Erwerb der Lenkerberechtigung fällt somit in die Zeit einer neuen Identitätsfindung beim Jugendlichen, eine Zeit der Nachreifung. Auch hirnphysiologische Entwicklungen sind weiterhin im Gange und nicht abgeschlossen. Damit einher gehen eine potenziell erhöhte Risikobereitschaft, eine geringere Impulskontrolle und vorausschauendes Denken, alles Eigenschaften, welche eine Auswirkung auf die Fahrsicherheit haben können. Der Versuch eines Frustrationsabbaus im Straßenverkehr während schwieriger Zeiten, individueller oder gesellschaftlicher Krisen sind weitere Risikofaktoren, die bei jugendlichen Fahranfängern in ihrem Fahrstil beziehungsweise im Straßenverkehr zum Ausdruck kommen können. Dies zeigte sich gerade in der kürzeren Vergangenheit im Zuge der Coronabedingten Einschränkungen in zahlreichen schweren Verkehrsunfällen.
Mehrphasenausbildung
Das österreichische Modell der Mehrphasenausbildung inkludiert nach dem Erwerb der Lenkerberechtigung eine zweite verpflichtende Ausbildungsphase. Nach der Führerscheinprüfung müssen innerhalb eines Jahres (Klasse B) bzw. 14 Monate (Klasse A) bis zu drei Module besucht werden. Diese Maßnahme trägt wesentlich zur Fahrsicherheit des jugendlichen Fahranfängers bei. Die Mehrphasenausbildung beinhaltet neben dem Fahrsicherheitstraining mit dem eigenen Auto am Übungsplatz das verkehrspsychologische Gruppengespräch. Beim Fahrsicherheitstraining geht es darum, die Bewältigung von Gefahren zu üben und erlernen (z.B. Bremstechnik- und Ausweichübungen). Im verkehrspsychologischen Gruppengespräch werden die Unfalltypen, Risiken und das eigene Verhalten besprochen. Weiters wird über folgende Fragen reflektiert: Was bedeutet mir der Führerschein? „Freiheit, Unabhängigkeitsgefühl, Erwachsensein“ sind dabei die häufigsten Antworten der Jugendlichen.
Was bedeutet mir das Auto? Hier überwiegen (Motive wie = STREICHEN) Mobilität und Selbstbestimmung. 15% der Gefragten geben eine Lust an der Geschwindigkeit an. Für rund 20% stellt das Auto ein Prestigeobjekt dar. Ebenso werden illegale Strassenrennen und deren Ursachen thematisiert.
Bewusstsein stärken
Ein Führerscheinverlust bedeutet für Jugendliche hingegen eine große Einschränkung. Dies zu vermeiden, fördert die Motivation zur Selbstreflexion im psychologischen Gruppengespräch. Auf dieser Basis kann der jugendliche Fahranfänger im Rahmen der Mehrphasenausbildung seine Stärken und Schwächen reflektieren, sowie sein mögliches Fehlverhalten im Straßenverkehr korrigieren. Die Bewusstwerdung zu den genannten Aspekten ist ein erstes und notwendiges Ziel des Kurses, um eine möglichst hohe Fahrsicherheit zu erlangen und zu verstärken.
Kommunikationsstil und Fahrverhalten
Die Teilnahme am Straßenverkehr ist immer auch eine Teilnahme an einer sozialen Interaktion. Der junge Erwachsene reflektiert im Kurs seinen Kommunikationsstil und somit seinen Fahrstil. Er kann sich insgesamt sein Verhalten im Straßenverkehr bewusstmachen. Als Fußgänger, Radfahrer, PKW- oder Motorradfahrer ist stets eine soziale Kompetenz gefordert. Wie mit den anderen Verkehrsteilnehmern (mit Radfahrern, Fußgängern, etc.) umgegangen wird, was Ärger verursachen kann und was einen idealen Kommunikationsstil dabei ausmacht, wird diskutiert. Mangelnde Geduld bei langsamen Autofahrern wird hier oft erwähnt. Die Perspektive als Fußgänger einzunehmen, hilft unter anderem auch dabei, das eigene Fahrverhalten als Autofahrer zu überdenken.
Eine reife Kommunikation basiert auf der sogenannten Erwachsenenebene bei der dem Anderen achtungsvoll begegnet wird. Der häufigste Kommunikationseinbruch wird durch das rebellische Kindheits-Ich dargestellt, das durch ein maßregelndes Eltern-Ich-Verhalten verstärkt werden kann.
Im Kurs ist daher wichtig den Jugendlichen auf der Erwachsenenebene zu begegnen. Dadurch wird die Einsichtsfähigkeit für regelkonformes Fahrverhalten gestärkt. Denn nur was wirklich von einem selbst erkannt und angenommen wird, kann langfristig in eine gelungene Verhaltensweise integriert werden.
von Dr. Maria Ruby, Mag Isabella Ruby
Foto: pixabay, Jones