Was man im Abwasser von Kläranlagen finden kann - Drogen, Medikamente, Corona-Virus
von Dr. Brigitte Gappmaier
Schon eine einzige Ecstasy-Pille, die eine von 150.000 Personen im Einzugsgebiet einer Kläranlage konsumiert hat, lässt sich im Abwasser der Anlage nachweisen. Das gelingt, weil die Abbauprodukte der Stoffwechselvorgänge von allem, was ein Mensch isst, trinkt, spritzt oder schnupft, über seine Ausscheidungen im Kanal landen und dieser mündet in der Regel – in Salzburg zu 97,5% – in einer Kläranlage. Der Neugier der Experten entgeht rein gar nichts – nicht einmal kleinste Bestandteile von mutierter Viren-RNA aus der Covid-Pandemie. So genau sind die Analyse-Systeme mittlerweile, dass man im Abwasser einen guten Überblick über die Gesundheits- und Infektionslage der Menschen im Einzugsgebiet einer Kläranlage, ihres Konsums von Drogen, Genussmittel und Medikamenten gewinnen kann, wenn man danach sucht. „Dabei geht es um geringste Mengen und Konzentrationen der Stoffwechselprodukte, die im Abwasser gefunden werden, das liegt im Bereich Nanogramm pro Liter, das kann man sich vorstellen wie ein aufgelöstes Stück Würfelzucker in einer Million Badewannen“, veranschaulicht es Christoph Ort vom Wasserforschungsinstitut Zürich. Seit es Forschern in den Niederlanden gelungen ist, über die Polymerasen-Kettenreaktion auch Abschnitte von Virenerbgut nachzuweisen, sind Abwasserproben aus Kläranlagen europaweit zu einem wichtigen Medium für das Monitoring der SARS-CoV-2-Infektionsentwicklung geworden. Das genetische Material des Virus im Abwasser kann meist schon nachgewiesen werden bevor bei den Betroffenen erste Symptome auftreten oder wenn sie asymptomatisch bleiben. Im Abwasser nachweisebare Bruchstücke von Viren-RNA scheiden alle Infizierten aus, auch jene, an denen die Infektion spurlos und oft auch unbemerkt vorübergeht. In den Niederlanden und in Luxemburg wurde dieses Abwasser-Monitoring mittlerweile zu einer wichtigen Stütze der Pandemie-Bekämpfung aufgebaut: jeden Tag werden Proben aus allen Kläranlagen nach Covid-Viren und ihren Mutanten untersucht, die Ergebnisse sind für jede Stadt und jeden Bezirk tagesaktuell öffentlich im Netz einsehbar. Dies soll die Motivation der Menschen stärken, sich an die Regeln zu halten, hofft man zumindest.
Cannabis und Kokain-Spuren finden sich In jeder Kläranlage
Laufend sucht das forensisch-toxikologische Forschungslabor des Gerichtsmedizinischen Institutes der Medizinischen Universität Innsbruck nach Spuren von Drogen in den Abwässern von acht österreichischen und zwei Südtiroler Kläranlagen. Das Labor unter der Leitung von Herbert Oberacher ist Partner des Netzwerkes SCORE, das in ganz Europa im Abwasser von 100 Kläranlagen in 86 Regionen dem Drogenkonsum der Bevölkerung auf der Spur ist. Allerdings nicht in Salzburg, hier wird dies nicht für nötig erachtet (Interview Petra Juhasz). Dabei ist der Erkenntnisgewinn in jenen Regionen, wo nach Drogenspuren im Abwasser gesucht wird, enorm und lässt Trends, Ausmaß und Veränderungen im Konsumverhalten verbotener Substanzen viel rascher erkennen als die Behörden mit ihren klassischen Ermittlungsmethoden dazu imstande wären. So hat sich im Verlauf der vergangenen Jahre etwa gezeigt, dass sich der Konsum von Kokain zwischen 2016 und 2018 in Innsbruck schlichtweg verdoppelt hat, seither aber auf hohem Niveau stagniert. Noch höhere Kokain-Werte fanden sich in Bozen, übertroffen nur noch von Zürich – eine Zeit lang so etwas wie die Kokain-Hochburg Europas.
Regionale Unterschiede beim Drogenkonsum
In jeder der untersuchten Regionen war Cannabis die dominierende Droge, wobei in den Städten tendenziell mehr Cannabis konsumiert wird als im ländlichen Raum. Der höchste Pro-Kopf-Verbrauch an THC war dabei in Innsbruck zu messen. Im Gegensatz dazu wiesen Graz und Bozen vergleichsweise niedrigere THC-Pro-Kopf-Konsummengen auf. Das meistkonsumierte Stimulans war Kokain. „Aber wie bei Kokain verzeichnen wir nun auch bei Cannabis keinen weiteren Anstieg mehr im Jahresvergleich“, beschreibt Herbert Oberacher den Trend. Der Kokainkonsum ist jedoch in Westösterreich sowie in Südtirol höher als im Osten. Bei Amphetamin ist das Bild genau umgekehrt: Im Osten wird mehr Amphetamin als im Westen Österreichs und in Südtirol konsumiert. Rechnet man die im Abwasser der untersuchten acht österreichischen Kläranlagen gefundenen Mengen auf Gesamtösterreich hoch, ergibt eine auf Basis der Abwasserdaten erfolgte Schätzung einen Schwarzmarktwert der konsumierten Drogen von weit über einer Milliarde Euro pro Jahr. „Man muss davon ausgehen, dass ein gewisser Anteil der Bevölkerung regelmäßig Drogen konsumiert, wobei der Hauptteil mit über 90 Prozent auf THC, also auf Cannabis entfällt und vier bis acht Prozent auf Kokain“, so das Fazit von Herbert Oberacher.