von Dr. Margarita Seiwald
Die Befähigung, das eigene Leben mit einer psychischen Erkrankung so zu gestalten, dass die Lebensqualität im Alltag möglichst wenig beeinträchtigt wird, ist das Ziel der psychiatrischen Rehabilitation.
Ein besonderes Augenmerk wird im Rahmen der psychiatrischen Rehabilitation auf die Reduktion von Symptomen und der seelisch-körperlichen Stabilisierung vor allem die Kompetenzsteigerung (Empowerment) im Umgang mit der Erkrankung, die Reduktion von Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit, Aktivität und Teilhabe (Partizipation), eine Erweiterung des Verhaltensrepertoires, die Verbesserung der Lebensqualität und die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gelegt. In der im Jahr 2012 eröffneten psychiatrischen Reha St. Veit werden mit großer menschlicher Wärmeund hohem therapeutischen Fachwissen Menschen betreut, die unter psychischen Problemen leiden. Unterstützt durch das großartige Bergpanorama der Sonnenterasse von St. Veit können unsere Patienten in den sechs Wochen ihres Aufenthaltes, im Rahmen unseres multimodalen Therapiekonzeptes den Ursachen und Verstärkern ihrer psychischen Probleme auf den Grund gehen. Üblicherweise absolviert jeder Patient 142 Therapieeinheiten über einen Zeitraum von 6 Wochen, d.h. rund 25 Stunden Therapie pro Woche.
Selbstwahrnehmung lernen – Burnout vermeiden
Mit Hilfe unseres multimodalen Therapiekonzeptes helfen wir unseren Patienten dabei, wieder mit ihren eigenen Wünschen, Sehnsüchten und Bedürfnissen in Berührung zu kommen. Viele unserer Patienten haben in unserer hochfunktionalisierten Zeit verlernt, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und ernst zu nehmen, wodurch sie sich selbst fremd geworden sind. Dadurch können sie die Grenze ihrer eigenen psychischen sowie physischen Belastbarkeit nicht oder nur ungenügend wahrnehmen, was unserer Wahrnehmung nach eine der häufigsten Ursachen des sogenannten Burnouts ist, einer durch Überforderung am Arbeitsplatz hervorgerufenen Depression. Aber nicht nur erschöpfte und depressive Patienten sind bei uns herzlich willkommen, sondern auch jene Menschen, die unter anderen affektiven Störungen, Ängsten, chronischen Schmerzzuständen oder Zwangsstörungen oder einer Persönlichkeitsstörung leiden. Zusätzlich betreuen wir auch Menschen nach schweren seelischen Krisen und helfen auch jenen, die eine Stabilisierung und Reintegration nach psychotischen Erkrankungen benötigen.
Woraus setzt sich nun dieses „multimodale Therapiekonzept“ zusammen?
Während des gesamten Aufenthaltes wird jeder Patient von verschiedenen Berufsgruppen begleitet und unterstützt. In unserer psychiatrischen Rehabilitation in St. Veit sind dies Psychotherapeuten,
klinische Gesundheitspsychologen, Ergotherapeuten, eine Musiktherapeutin, eine Sozialarbeiterin, eine Physiotherapeutin, Heilmasseure, Psychiater sowie last but not least, unser sehr engagiertes Pflegeteam, das unseren Patienten mit Rat und Tat zur Seite steht. Das Therapieprogramm ist geprägt von vielen Gruppeneinheiten. Diese dienen als eine Art „Übungsfeld“, bei dem der Patient lernen darf, zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen.
Warum bin ich wie ich bin?
Während des Aufenthaltes erhalten die Patienten psychotherapeutische Unterstützung im Einzel-
sowie im Gruppensetting. So lernen sie mit Hilfe von gezielten Fragenmethoden ihr eigenes Verhalten zu erkennen und zu hinterfragen. Gerade jene Verhaltensmuster, die als lang eingeübte innere Programmierungen zu einer Quelle ständiger Überforderung werden, möchten wir gemeinsam mit den Patienten aufdecken und ihnen die geeigneten „Werkzeuge“ in die Hand geben, um mit einer Verhaltensänderung zu beginnen. Auch ist es uns ein großes Anliegen in unseren Patienten die Neugierde dafür zu wecken, der Motivation hinter ihren Verhaltensweisen auf die Spur zu kommen, denn nur dadurch kann sich letztendlich eine andauernde Verhaltensänderung entwickeln. Die Gruppe fördert das soziale Lernen und ermöglicht das Erkennen der eigenen sozialen Rolle innerhalb der Gruppe. Der Umgang mit vielfältigen Themen wie Berufsleben, Gesundheit, Umgang mit Konflikten, Selbstsicherheit, ermöglicht es ihnen, alte Verhaltensmuster zu überdenken und zu verlassen sowie neues gesundheitsförderliches Verhalten zu entwickeln.
Talente aufzeigen – neue Weg entdecken
Nachdem es vielen Menschen schwerfällt, die richtigen Worte für ihr Innenleben zu finden, versuchen wir auch im Rahmen der Musiktherapie und der Ergotherapie nonverbale Möglichkeiten des Ausdrucks anzubieten. Zusätzlich können die Patienten im Rahmen der ergotherapeutischen Therapien ihre vielleicht vergessenen oder bislang noch nicht entwickelten Gaben und Talente entfalten. Schon mehrmals durften wir miterleben, dass Menschen zutiefst erstaunt und überrascht waren über neu entdeckte Fähigkeiten und Talente. Ergotherapie geht davon aus, dass Aktiv-Sein heilende Wirkung hat, wenn Aktivitäten gezielt mit dem jeweiligen Patienten ausgewählt werden. Die Ergotherapie hilft ihnen durch Beratung und spezielles Training beim Erkennen und bei der Bewältigung von persönlichen Schwierigkeiten, in Alltags- und Arbeitssituationen. Beim Umgang mit verschiedensten Materialien (Farbe, Speckstein, Peddigrohr...) können eigene Bedürfnisse wahrgenommen und ausgedrückt werden. Nachdem Körper und Psyche nicht voneinander getrennt werden können, tragen unsere Bewegungstherapeuten durch ein abwechslungsreiches Bewegungsprogramm, welches Rückenschule, Gleichgewichts- und Koordinationstraining sowie Outdooraktivitäten beinhaltet zu einem ganz wesentlichen Teil der psychovegetativen Verbesserung bei. Schon oft durften wir erleben, dass im Leben eines Patienten ein sechswöchiger Rehaaufenthalt in unserer Einrichtung den Wendepunkt in Richtung einer nachhaltigen Verbesserung seiner psychischen Befindlichkeit bewirken konnte.