Psychosomatik – über Narben, die nicht verheilen wollen

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Die außergewöhnlichen Umstände rund um die Corona-Pandemie, die immer wieder massiv in die gewohnten Alltags-Routinen eingreifen. Das Fehlen sozialer Kontakte, Unwissenheit, fehlendes Vertrauen, Ängste – dies alles auch psychisch und mental zu bewältigen, schaffen viele Menschen nicht. Auch wenn ihnen dies vielleicht noch gar nicht bewusst ist. Aber es hinterlässt unsichtbare Narben, die sich eines Tages unangenehm bemerkbar machen können.

Die Folgen sind in den Arztpraxen jetzt schon zu sehen: psychosomatische Erkrankungen, auch bei Kindern, nehmen derzeit stark zu. Psychisch bedingte Erkrankungen, für die keine körperlich-organischen Ursachen gefunden werden, können sich in ganz unterschiedlichen Formen zeigen. Die Diagnose erfordert eine hohe medizinische Expertise und ist nach wie vor Gegenstand intensiver Forschungen.

Im Lot bleiben

Ein allgemeines Erklärungsmodell für den Begriff Psychosomatik setzt die Anforderungen und Belastungen eines Menschen in Beziehung zu seinen Bewältigungsmöglichkeiten. Das heißt: In Krisen ist der Mensch gefordert, die Balance zwischen Anforderungen einerseits und deren Bewältigung andererseits aufrecht zu erhalten. Und sie wieder nachhaltig herzustellen, wenn sie aus dem Lot gekommen ist.

Resilienz                                             

Es geht im Kern um Resilienz (etwa: psychische Widerstandskraft), hat man sie, um auch schwierige Umstände ohne Schrammen und Narben bewältigen zu können, oder hat man sie nicht, um psychisch unbeschadet aus belastenden Verhältnissen herauszukommen, und danach wieder Vertrauen, Zuversicht und Optimismus zu gewinnen. Eine glückliche Kindheit, ein gutes Aufwachsen in Schule und Beruf, eine gelungene Sozialisation – dies sind die besten Voraussetzungen um diese so wichtige Resilienz zu lernen und psychosomatische Erkrankungen zu vermeiden. Denn vor Schicksalsschlägen ist niemand gefeit, es geht darum, wie man damit umzugehen versteht. Auch mit Problemen und Situationen, die uns alle betreffen – wie etwa die aktuelle Corona-Pandemie oder der Klimawandel.

Vielschichtiger Entstehungsprozess

Bei sehr schwerwiegenden und andauernden psychosozialen Belastungen oder akuten bzw. chronischen psychischen Traumatisierungen können diese Bewältigungsmechanismen nicht mehr hilfreich eingesetzt werden.  Aber auch schon bei geringeren Belastungsanforderungen kann auf dem Hintergrund ungünstiger individueller Voraussetzungen oder geringer Ressourcen die Balance für längere Zeit aus dem Lot geraten. Es kommt zu einer Art mehr oder weniger schwerwiegenden psychischen Verletzung, die dann zu einer “psychischen Narbe“ führen kann. In der Folge ist es möglich, dass sich etwa psychische bzw. psychosomatische Folgen zeigen.

Der Entstehungsprozess von psychosomatischen Beschwerden ist demnach vielschichtig und nach wie vor Gegenstand vieler Forschungsprojekte und Studien. Genetische, biologische, soziale und psychische Aspekte zählen dabei zu den wesentlichen Faktoren. Je nach bestehenden Beschwerden oder zugrunde liegender möglicher Erkrankung können im Rahmen der Diagnose und Therapie individuelle Erklärungsmodelle entwickelt werden.

Thure von Uexküll                                      

Schon der Begründer der psychosomatischen Medizin, der deutsche Arzt Thure von Uexküll (1908 – 2004) aus Heidelberg, führte Mitte des vorigen Jahrhunderts den Begriff des „biopsychosozialen Systems“ ein, was heißt, dass alle Erkrankungen in Zusammenhang mit biologischen (organischen und körperlichen) und psychischen/seelischen Funktionen stehen können. 

Eine große Rolle spielten für Thure von Uexküll dabei die Erziehung, das familiäre Umfeld, Schule, Beruf und Arbeitsverhältnisse, die Wohnsituation und überhaupt das gesamte soziale Umfeld eines Menschen. Gibt es lang andauernde seelische Belastungen und Probleme, Stress-Situationen oder traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit, über die man nie hinweggekommen ist, dann kann das die Ursache vielfältiger körperlicher Beschwerden sein. 

Diese können entweder in konkret diagnostizierbaren organischen Krankheiten sichtbar werden oder sich in diffusen Formen wie organisch unerklärbaren Schmerzen oder etwa auch in Hautausschlägen zeigen, für die der Dermatologe keine körperliche Ursache finden kann. Hier ist dann die Psychosomatik gefragt, die zunächst mit einer überaus gründlichen Anamnese (Erforschung vergangener Krankheiten, traumatischer Erlebnissen, des familiären und beruflichen Umfeldes) beginnen wird.

Die Psychosomatik ist somit ein breit gefächerter Diagnoseansatz, der weit über die diagnostischen Möglichkeiten der klassischen Medizin hinausgeht und sich mit dem Einfluss psychischer und sozialer Faktoren auf den Körper beschäftigt – also mit der Wechselwirkung von Psyche und Körper.

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