Long Covid - Wenn das Corona-Virus nicht und nicht verschwinden will

von Dr. Brigitte Gappmair

Während die einen die niedrigen Infektionszahlen und einen Sommer der neugewonnenen Freiheiten feiern, scheint die Virus-Erkrankung für Long-Covid-Betroffene kein Ende zu nehmen. Die vielfältig in Erscheinung tretenden Spätfolgen einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion, die sich auch nach asymptomatischen Verläufen einstellen können, sind medizinisch und statistisch schwer in den Griff zu bekommen, können monatelang andauern und sind auch psychisch sehr belastend. 

Genaue Zahlen gibt es noch in keinem Land, weil überall erst jüngst damit begonnen worden ist, die vielen verschiedenen Symptome, die mittlerweile mit dem Long-Covid-Syndrom in Zusammenhang gebracht werden, dieser Erkrankung zuzuordnen. Das fällt auch deshalb so schwer, weil das Virus den gesamten Organismus, so gut wie alle Organe befallen und schädigen kann. Dies gilt nicht nur für die akute Phase der Erkrankung mit einer bisher in der Medizin noch nie dagewesenen Vielzahl an unterschiedlichen Symptomen, dies trifft genauso auch auf das Phänomen Post- bzw. Long Covid zu. Zu lang hat man nur die einzelnen Symptome gesehen und behandelt, was für die Patienten oft einen mühevollen, monatelangen Spießroutenlauf durch verschiedenste Facharztpraxen bedeutet hat und mitunter auch auf Unverständnis im sozialen Umfeld, etwa am Arbeitsplatz, gestoßen ist. 

ÖGK: Diagnosecode „Long Covid“ erst seit März 21

Der Blick aufs große Ganze stellte sich erst spät ein. Erst allmählich, eigentlich erst seit Jahresbeginn 2021, ist man im medizinischen Alltag dazu übergegangen, die in so vielen Formen auftretenden Symptome bei Patienten, die eine akute Corona-Erkrankung überstanden hatten, als eigenständiges Krankheitsbild zu definieren. Marie Theres Egyed von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK): „Es gibt erst seit März 21 einen eigenen Diagnosecode für Long Covid, bis dahin und auch derzeit noch wird Long Covid auf Basis der vielfältigen und unterschiedlichen Diagnosen erfasst.“

Zumindest 10 Prozent aller Infizierten lässt Corona wochenlang nicht los

Verlässliche Studien des deutschen Robert-Koch-Institutes (RKI), britischer und amerikanischer Universitäten und Behörden kommen zu dem weitgehend einhelligen Ergebnis, dass insgesamt mindestens 10 % aller Infizierten und davon bis zu 60 % aller hospitalisierten Corona-Patienten noch Wochen nach ihrer Infektion unter Long-Covid-Symptomen leiden. Im Bundesland Salzburg sind seit Beginn der Pandemie bis Ende Juni 2021 knapp 50.000 Menschen positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Klammert man jene unbekannte Zahl an Personen aus, die sich zwar infiziert haben, keine oder nur leichte Symptome hatten und nie positiv getestet worden sind, kommt man auf die Zahl von zumindest 5.000 Salzburgerinnen und Salzburger, die an Long Covid gelitten haben oder noch leiden. 

Bei Long Covid überwiegt der Frauen-Anteil

Hauptsächlich betroffen – auch das geht aus internationalen Studien hervor – sind mit einem Anteil von rund 70% Frauen, auffallend oft jüngere unter 50. Das bestätigte kürzlich im Ö1-Morgenjournal auch die Kardiologin Prof. Mariann Gyöngyösi von der MedUni Wien, die am AKH seit März 2021 die erste Long-Covid-Ambulanz Österreichs leitet. Dennoch, Long Covid kann jeden und jede treffen, Gyöngyösi: „Der jüngste Patient bei uns ist 18, die älteste Patientin 85.“ Mittlerweile, per Ende Juni, gibt es in jedem Bundesland zumindest eine Anlaufstelle mit entsprechenden, auf den jeweiligen Fall zugeschnittenen meist ambulanten, oft auch berufsbegleitenden Therapien. In Salzburg befindet sich eine solche am Uni-Klinikum für Innere Medizin und dort u. a. beim Kardiologen und Sportmediziner Prof. Josef Niebauer, der gemeinsam mit seinem Team auch über die bei weitem größte Erfahrung in der ambulanten Rehabilitation von Long-Covid-Erkrankten verfügt. Niebauer: „Wir bieten eine umfassende multidisziplinäre ambulante Rehabilitation einschließlich Ausdauer- und Krafttraining unter medizinischer Anleitung und Aufsicht an.“ 

Niebauer: „Long Covid braucht Long Reha!“

Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Fatigue, Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Erschöpfung, Geschmacksverlust, Probleme bei Merkfähigkeit und Wortfindung, Depressionen – bis zu 300 physische oder psychische Symptome werden mittlerweile mit Long Covid assoziiert. Am AKH Wien wurde festgestellt, dass bei 60 Prozent der Patienten auch noch sichtbare Veränderungen an Organen oder im Blutbild nachweisbar waren. Die Probleme können sich mit großer Verspätung zeigen, oft nach symptomfreien Wochen oder gar Monaten. Wie lange Symptome mitunter spürbar sein können, zeigt auch eine aktuelle Umfrage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), die in Vorbereitung einer Sammelklage im Zusammenhang mit möglichen Versäumnissen am Beginn der Pandemie in Ischgl gegen Tiroler Politiker und Behörden durchgeführt wurde. Mehr als 6.000 von Corona betroffene Ischgl-Touristen haben geantwortet, Ergebnis:  fünf Prozent all jener, die sich im März 2020 im Skiurlaub in Ischgl infiziert hatten, leiden heute noch an unterschiedlichsten Long -Covid-Symptomen.

„Das Virus wird bleiben und Long Covid auch“

Andreas Huss, ehemaliger Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse und seit 2019 stellvertretender Vorsitzender der Österr. Gesundheitskasse (ÖGK) rechnete kürzlich in einem ORF-„Salzburg heute“-Interview damit, dass Long- bzw. Post-Covid die Gesundheits- und Reha-Einrichtungen noch mindestens fünf Jahre lang beschäftigen wird. Salzburgs Long-Covid-Experte Prof. Niebauer sieht es ähnlich: „Covid-19 ist gekommen um zu bleiben und so treffen wir nicht nur jetzt, sondern werden wir auch in Zukunft auf eine immer größer werdende Zahl an Patienten treffen.“ 

Therapien dauern oft lang, aber sie wirken

Der Arzt verbreitet dennoch vorsichtigen Optimismus was die Therapie-Erfolge betrifft: „In den ambulanten Rehabilitations-Zentren sehen wir österreichweit deutlich die Verbesserungen der Symptome aber auch der Lebensqualität der Patienten, die größtenteils berufsbegleitend die Rehabilitation absolvieren und danach wieder ins Berufsleben einsteigen können. Was eindeutig zeigt: Long Covid braucht auch Long Reha und somit nach einer stationären oder ambulanten Phase 2 eine ambulante Phase 3.“ Aktuell, so Niebauer, würden auch in den Ambulatorien viele Patienten mit Post-/Long Covid therapiert und bei allen zeigten sich Verbesserungen der Antriebslosigkeit, Fatigue, Kognition, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit – allerdings oft auch erst nach Monaten, wie Salzburger Beispiele veranschaulichen: „Wir bieten unsere Therapien seit Anfang des Jahres 2021 an und haben seither Patienten, die jetzt immer noch bei uns in Behandlung sind!“ 60 Prozent von 800 befragten heimischen Long-Covid-Patienten berichteten übrigens, dass sich die Symptome nach einer Impfung verbessert hätten. 

Patienten gründeten Verein mit 900 Betroffenen

Ausgehend von Wien haben Betroffene eine „Long- Covid-Austria-Patienteninitiative“ gegründet, der sich per Ende Juni bereits rund 900 Mitglieder angeschlossen haben. Long-Covid-Zentren verteilt über ganz Österreich wie es zum Beispiel in Großbritannien schon über 90 gibt – das ist eine der Forderungen der Patienteninitiative. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger sieht dafür allerdings keinen Bedarf, will aber österreichweit ca. 70 Anlaufstellen für Betroffene einrichten. 

Einheitliche Richtlinien für Hausärzte 

Einhellig begrüßt wird von Ärzten und Patienten, dass seit einigen Wochen jene medizinischen Fachgesellschaften, deren Fächer mit Long-Covid-Symptomen konfrontiert sind – also, ohnedies so gut wie alle – Leitlinien ausarbeiten, die es Hausärzten erleichtern sollen, Long Covid richtig zu diagnostizieren und in weiterer Folge adäquat damit umzugehen.

 

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