Jährlich erblicken rund 2800 Babys in der Universitätsklinik Salzburg das Licht der Welt. In diesen Tagen machen sich viele Schwangere große Sorgen um die bevorstehende Geburt in Zeiten von Corona. Wir sprachen mit der leitenden Hebamme Angelina Kovac über die aktuelle Situation.
Seit wann sind Sie Hebamme und wie vielen Kindern haben Sie bereits auf die Welt geholfen?
Angelina Kovac: Von 2006 bis 2009 studierte ich in Puch-Urstein. Ich war sozusagen bei den ersten Hebammenstudentinnen dabei. Nach meiner Ausbildung habe ich in den Landeskrankenhäusern von Vöcklabruck und Salzburg gearbeitet. In dieser Zeit habe ich circa 700 Kindern auf die Welt geholfen und sehr viel mehr betreut oder im Wochenbett begleitet.
Haben Sie derzeit Angst sich mit Covid anzustecken?
Angelina Kovac: Wir Hebammen sind daran gewöhnt, uns vor Infektionen schützen zu müssen. HIV, Hepatitis B oder C oder andere Infektionen. Strenge Hygienemaßnahmen gehörten schon vor Corona zu unserem Berufsalltag. Allerdings hat uns die aktuelle Situation vor neue Herausforderungen gestellt. Ein ständiges Tragen einer FFP2-Maske ist im Alltag belastend. Wir arbeiten in 12- Stunden-Diensten und die Interaktion mit den Gebärenden ist schwieriger geworden. Die komplette Mimik wird ausgeschaltet.
Wie reagieren die Gebärenden und deren Partner auf die jetzige Situation?
Angelina Kovac: Generell überwiegt nach wie vor das momentane Ereignis Geburt. Hinsichtlich der Corona-Maßnahmen sind die Reaktionen oft unterschiedlich. Es herrscht eine gewisse Unsicherheit bei den Eltern bezüglich der Begleitung und des Besuchsrechtes auf der Wochenbettstation. Bei uns in den Landeskliniken Salzburg war es nie Thema, dass ein werdender Vater nicht bei der Geburt seines Kindes dabei sein kann. Die Väter sind sehr wichtig als Unterstützung für die Frauen und wir haben immer nach einer Lösung gesucht, dass sie dabei sein können.
Manche Frauen lehnen Kliniken ab, weil sie eine selbstbestimmte und natürliche Geburt wünschen. Wie stehen sie zu Hausgeburten?
Angelina Kovac: Jede Familie soll für sich entscheiden. Dass es eine selbstbestimmte und natürliche Geburt in der Klinik nicht gibt, stimmt nicht. Es ist auch unser Ziel als Klinikhebammen, Kinder sanft und ohne Interventionen ins Leben zu geleiten. Hebammen sind Expertinnen für die physiologische Geburt und unterstützen Frauen mit all ihrem Fachwissen. Sind Eltern im Vorfeld ehrlich und gut aufgeklärt läuft es mit der Selbstbestimmung deutlich besser. Leider gibt es andere Berufsgruppen, die diese Vorarbeit im Sinne von Geburtsvorbereitungskursen und Gesprächen übernehmen, und Eltern über die Geburt aufklären und ihnen dann falsche Vorstellungen mitgeben.
Sind Frauen heute wehleidiger?
Angelina Kovac: Nein. Alle Phasen einer Geburt erfolgen in einem engen Wechselspiel mit der Wirkung verschiedener Hormone, die dafür sorgen, dass der Körper und die Psyche der Mutter sich auf den Geburtsvorgang fokussieren. Gerade Angst und Unwissenheit können zu Verkrampfungen und zu einer höheren Stresshormonausschüttung führen, was wiederum zu mehr Schmerzen führen kann. Eine gute Vorbereitung hilft Frauen zu verstehen welche Mechanismen währen der Geburt ablaufen.
Ist es grundsätzlich möglich ein frühgeborenes Kind zu stillen?
Angelina Kovac: Ja grundsätzlich schon. Mit viel intensiver Unterstützung von Neonatologiefachpersonal sowie Stillberatung und Ausdauer. Es kommt darauf an, in welcher Schwangerschaftswoche das Kind geboren worden ist. Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen einer late-pre-term Geburt oder ob das Kind in der 25. Schwangerschaftwoche geboren worden ist. Besonders für Frühgeborene wird Muttermilch als „medizinische“ Notwendigkeit gewertet, da zählt jeder Milliliter.
Wie haben sich die Ansprüche der Eltern verändert
Angelina Kovac : Die Sicherheit hat oberste Priorität. Aus diesem Grund entscheiden sich viele Paare für das Universitätsklinikum Salzburg. Unsere Hebammen sind nicht nur Fachfrauen für die physiologische Geburt, sondern auch, wenn einmal mehr medizinische Intervention oder Beobachtung notwendig ist. Wir betreuen Frauen schon aber der 22. Schwangerschaftswoche, wenn notwendig. Im Hintergrund ist auch jederzeit, ein Kinderarzt, Facharzt, Anästhesist oder Oberarzt verfügbar. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit funktioniert bei uns hervorragend. Zu Hause bei den Jungeltern hat sich auch der Anspruch an die Elternschaft verändert. Früher wurden viele Eltern durch die Großfamilie unterstützt und durch das Wochenbett getragen und liebevoll begleitet. Das erschwert oft die Wochenbettbetreuung der Hebammen, da der Wunsch nach mehr Unterstützung vorhanden ist. Auch die Herausforderung durch Schlafmangel, Erschöpfung und hormonelle Umstellung, erschwert die Situation.
Was wünschen Sie sich von den Eltern?
Angelina Kovac: Ich wünsche mir, dass sich die Eltern auf das Abenteuer Geburt einlassen. Ich wünsche mir auch, dass sie nicht mit einem fixfertigen Geburtsplan kommen, sondern sich auf ihre individuelle Geburtsreise begeben und ihrem Kind das Recht ebenso zugestehen, eine eigene Geburtsgeschichte zu haben.