Der Joint - Cannabis ist das weltweit am häufigsten konsumierte illegale Rauschmittel. Weil immer mehr Länder den Konsum von THC legalisieren oder medizinisches THC zur Behandlung von Krankheiten zulassen, sinkt vor allem bei jungen Menschen die Hemmschwelle, das Kiffen einmal auszuprobieren. Was die meisten Konsumenten dabei nicht beachten: Der Genuss der Droge kann eine ganze Reihe von Nebenwirkungen mit sich bringen, die von Schlafstörungen bis hin zu Konzentrations- und Leistungsproblemen reichen. Besonders unterschätzt wird diesbezüglich die sogenannte Cannabis-Psychose. Dabei zeigen Studien, dass das Risiko für das Auftreten einer solchen Psychose bei Menschen, die kiffen, um ein Drittel erhöht ist.
Die Cannabis-Pflanze enthält mehr als hundert unterschiedliche Cannabinoide, von denen nur eine Minderheit psychoaktiv wirkt, allen voran Tetrahydrocannabinol (THC), das die berauschende Wirkung entfaltet und das nicht berauschende, sondern beruhigend und entzündungshemmend wirkende Cannabidiol (CBD). Diese Substanz ist meist in Form von CBD-Öl als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich. Was die psychoaktive Wirkung von THC und CBD betrifft, wirken diese beiden Cannabinoide im menschlichen Gehirn wie zwei Gegenspieler – durchaus im positiven Sinne. Aber das Verhältnis der beiden Substanzen zueinander wurde durch jahrelange Züchtungen zugunsten von THC verändert, was Cannabis für empfindliche Personen mit intensivem Dauerkonsum psychisch gefährlich macht. Die Konzentration von THC ist in den letzten drei Jahrzehnten um das 10 bis 15-Fache gesteigert worden. Die hochgezüchtete THC-Produktion führte zu einer Verringerung des CBD-Anteiles in der Hanfpflanze. Das natürliche und für den Menschen weit besser verträgliche Verhältnis der beiden Substanzen zueinander passt nicht mehr. Dadurch ist das heutige Marihuana nicht nur wegen des extrem hohen THC-Gehalts von bis zu 30 Prozent weit gefährlicher als früher, sondern auch wegen der niedrigen CBD-Konzentration. CBD wirkt bei entsprechender Dosis nämlich antipsychotisch und könnte so die Psychose als Nebenwirkung des THC verhindern. Noch vor 20 Jahren lag das Verhältnis von THC zu CBD in Marihuana bei ca. 10:1, heute liegt es bei fast 100:1. Daher ist das Argument jener, die meinen, in den 1970er oder 80er Jahren Marihuana geraucht zu haben, ohne dabei Schaden genommen zu haben, nicht unbedingt anwendbar auf das heutige Marihuana.
Hände weg von Cannabis bei Neigung zu Psychosen und Ängsten
Dass es einen Zusammenhang zwischen THC-Konsum und gehäuftem Auftreten von Schizophrenie gibt, ist in der Fachliteratur schon öfter beschrieben worden. Und es konnte gezeigt werden, dass auch bei Verwandten ersten Grades von Schizophrenen nach einmaligem Cannabis-Konsum die Dopamin-Ausschüttung stark ansteigt, bei Gesunden ohne genetische Vorbelastungen hinsichtlich Psychosen aber kaum. Genetische Faktoren können also relevant sein für die Entwicklung einer chronischen Psychose durch Cannabis.Auf diese Gefahren hat recht eindrucksvoll kürzlich in der ZEIT der deutsche Psychotherapeut Jean Hermanns hingewiesen, der in einer suchtpsychiatrischen Spezialklinik in Schleswig-Holstein Cannabis-Patienten betreut: „Wir haben bei uns etwa tausend Cannabis-Patienten pro Jahr. Plastisch ausgedrückt sehe ich Cannabis-Konsum wie russisches Roulette: Kein Mensch kann wissen, ob er eine Anfälligkeit für so etwas wie eine schizophrene Psychose hat. Studien zeigen, dass Cannabis für jeden zehnten Kiffer gefährlich ist“. Hermanns weiß von Fällen aus seiner Klinik zu berichten, wo schon ein erster Joint eine seelische Störung auslösen konnte, „dass man Dinge sieht, die nicht da sind, Stimmen hört, die es nicht gibt, unkontrolliert Angst hat, sich ständig verfolgt und überwacht fühlt“.
500 Interventionen in Salzburg
Symptome, wie man sie auch in der Psychiatrie der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg bei Patienten mit Cannabis-induzierten Psychosen zur Genüge kennt. Auch im jährlichen Suchtbericht des Landes Salzburg schlagen sich die Zahlen nieder: mit jährlich rund 500 Interventionen wegen problematischen Drogenkonsums suchen Konsumenten von Cannabis mehr als doppelt so oft die Drogenberatung auf, weil sie mit ihren Problemen nicht mehr allein zurande kommen als Konsumenten von Opiaten oder Kokain. Rund 60 Personen müssen pro Jahr wegen Cannabis-induzierter Psychosen in der Psychiatrie der Christian-Doppler-Klinik stationär aufgenommen werden, viele weitere sind ambulant in ärztlicher Behandlung.
Legalisierung – manches spricht dafür, manches dagegen
Die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ist keine medizinische, sondern eine gesellschaftspolitische Frage. Prof. Bernhard Fischer: „Hilft die Legalisierung von Cannabis, Risiken und Schäden für die Konsumierenden und für die Gesellschaft zu verringern oder nicht?“ Fischer übersieht die Gefahren nicht, ist nach Abwägung aller Argumente aber dennoch für die intensiv überwachte und kontrollierte Freigabe von Cannabis für über 18jährige. Drogen-Psychotherapeut Jean Hermanns, der täglich mit den Leiden von Cannabis-Patienten konfrontiert ist, spricht sich hingegen vehement gegen einen freien Verkauf von Cannabis aus. Ein Vorteil der Legalisierung wäre die Entkriminalisierung der Konsumenten. Man denke nur an die vielen Urteile und Strafregister-Einträge wegen Besitzes geringer Mengen Haschisch, die sich viel zu oft negativ auf die Lebensläufe junger Menschen ausgewirkt haben. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil wäre auch die Entlastung von Exekutive und Justiz und vielleicht auch eine Eindämmung der Organisierten Drogenkriminalität sowie eine geringere Verfügbarkeit von harten Drogen, die heute oft vom gleichen Dealer offeriert werden, der auch Cannabis-Produkte anbietet. Der Nachteil läge in der erhöhten Verfügbarkeit von Marihuana, welche vermutlich zu mehr Konsum und damit zu mehr assoziierten Erkrankungen führen würde.
Häufigste Droge in Österreich
Der Status quo jedenfalls schaut in Österreich derzeit so aus: Cannabis ist die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge, jede bzw. jeder fünfte Befragte hat nach eigenen Angaben zumindest einmal im Leben Cannabis konsumiert. In den meisten Fällen gilt das Kiffen als Verhaltensphänomen einer bestimmten Lebensphase. In späteren Jahren, meist mit der Familiengründung zusammenhängend, hören junge Leute mit dem regelmäßigen intensiven Cannabis-Konsum auch wieder ganz auf oder rauchen zumindest deutlich seltener.