Am Uniklinikum Salzburg gibt es mittlerweile vier Typ-B-Expertisezentren für seltene Erkrankungen – alle haben mit Kindern zu tun.
„Es ist für mich die Vollendung eines Lebenswerks“, schwärmte Wolfgang Sperl, Rektor der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU), im EVER-Pharma-Audimax. Vor 40 Jahren hatte er in Innsbruck das erste Mal bei einem Kind eine mitochondriale Erkrankung diagnostiziert. Später konzentrierte er seine Forschungstätigkeit auf diese Gruppe der seltenen Stoffwechselstörungen. Noch als Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde – die Funktion bekleidete er bis 2020 – reichte Sperl jenes sogenannte Typ-B-Expertisezentrum ein, das nun offiziell eröffnet wurde. „Es war ein langer Weg, jetzt ist es aber endlich geschafft“, fasste es Co-Gastgeber Eugen Trinka, Vorstand der Universitätsklinik für Neurologie und Präsident der Gesellschaft der Salzburger Ärztinnen und Ärzte, zusammen.
Jeder Fall ist einzigartig und wird als solcher behandelt
Das jüngste Typ-B-Expertisezentrum am Uniklinikum Salzburg ist an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde angesiedelt. Sein Spezialgebiet sind angeborene Stoffwechsel-Erkrankungen mit dem Schwerpunkt auf Mitochondriopathien sowie lysosomalen Speichererkrankungen. „Wir sind aber auch für alle anderen angeborenen Stoffwechsel-Erkrankungen zuständig“, so Klinikvorstand Daniel Weghuber. Und ein zentrales Thema sei auch die Transition: Also die Sicherstellung der weiteren fachkompetenten Versorgung, wenn junge Patientinnen erwachsen werden. Hier ist die enge Zusammenarbeit von Kinder- und Erwachsenenmedizin entscheidend. Leiterin des Typ-B-Zentrums für angeborene Stoffwechsel-Erkrankungen ist die Kinderärztin und PMU-Professorin Saskia Wortmann, die sich in den vergangenen Jahren aufgrund spektakulärer Behandlungserfolge und vieler wissenschaftlicher Publikationen einen Ruf als weltweit anerkannte Expertin erworben hat. „Wenn unklare Krankheitszeichen durch Störung unterschiedlicher Organsysteme auftreten, braucht es ein Verständnis für die Bedeutung der unterschiedlichen Symptome, für die zellulären Abläufe und genetischen Informationen. Hier stecken wir mit einem klaren Plan die Köpfe zusammen und bemühen uns, für alle Patientinnen und Patienten, die wir sehen, eine exakte Diagnose – und eine passende Behandlung zu finden.“
Genforschung und Patientensicherheit im Fokus
Innerhalb des Zentrums gibt es zwei virtuelle Gebäude: das Mito-Haus, das Wortmann und der Biochemiker Hans Mayr leiten, sowie das Lyso-Center mit dem Kinderarzt Florian Lagler an der Spitze. Im Mito-Haus geht es vor allem darum, durch biochemische Verfahren bzw. durch genetische Untersuchungen die Ursachen von mitochondrialen Erkrankungen zu finden. „Aktuell sind 377 Gene als Krankheitsursachen bekannt“, erklärte Hans Mayr. 33 Gene wurden unter seiner Beteiligung erstmals in Salzburg beschrieben.Im Lyso-Center liegt der Schwerpunkt auf Patientensicherheit sowie Einzelfallstudien. Florian Lagler: „Wir haben zum Beispiel mit OP-Teams medizinische Simulationstrainings gemacht, um das Verhalten bei Narkosezwischenfällen zu üben. Denn diese Kinder haben ein 1.000-fach erhöhtes Risiko für solche Zwischenfälle und gleichzeitig brauchen sie viele Eingriffe.“ Trainings finden auch mit Pflegekräften der Heimhilfen und den Familienmitgliedern statt, damit diese in Notfällen richtig reagieren können. Mit möglichst vielen Einzelfallstudien, die in ganz Europa durchgeführt werden, sollen trotz der Seltenheit Muster von Symptomen, aber auch Therapieerfolgen identifiziert werden, um zukünftigen Patientinnen und Patienten frühzeitig und gezielt helfen zu können. Lagler: „Wenn man die Erkrankung an sehr deutlichen Zeichen erkennt, ist es meistens schon sehr spät und man hat viel Zeit für die Therapie verloren.“ Mittlerweile ist das Lyso-Center mit 20 Zentren im Ausland und 10 Patientenorganisationen vernetzt.