Im PULS-Interview spricht Dr. Paul Sungler, Geschäftsführer der SALK über die Ausbaupläne der Klinik, Überlastungen und die Vollkaskomentalität vieler Menschen, die zu Lasten wahrer Notfälle in den Ambulanzen geht.
Wie steht es um den Personalstand in den SALK? Konnten neue Ärzte und Pflegekräfte gewonnen werden?
Sungler: Vorweg muss ich etwas ganz Wesentliches festhalten. Ich halte die Diskussion, wer Schuld daran trägt, dass kein Personal in den Krankenhäusern ist, für absolut unnotwendig. Denn man braucht sich nur die Bevölkerungsstatistik ansehen, etwa zu den 15- bis 20-jährigen der letzten zehn Jahre. Hier kann man feststellen, dass vor zehn Jahren noch über 40.000 Personen in dieser Kohorte gab, jetzt fehlen dort 12.000 Jugendliche. Das heißt, es ist in Wirklichkeit kein Wunder, dass die Personalsituation so ist wie sie ist. Das trifft ja nicht nur die Gesundheitsberufe, sondern alle Lehr- und Ausbildungsberufe. Wenn es die Leute nicht gibt, tut es mir leid. Hier muss man die Generation des Pillenknickes und der Bequemlichkeit und andere Dinge miteinbeziehen. Nun zu ihrer Frage wie die Situation aussieht: Sie ist kritisch. Nach Zahlen vom Dezember haben wir 45 Ärzte zu wenig von 940 Stellen insgesamt. Eines der Fächer, wo wir den Ärztemangel sehr stark spüren, ist die Gynäkologie und Geburtshilfe. Dieses Problem haben wir auch am Krankenhaus Tamsweg. Ähnlich sieht es im internistischen Bereich aus, wo wir große Probleme in allen Bereichen sehen. Das sind Fakten. In der Pflege fehlen von derzeit rund 3.000 Mitarbeitern rund 100 Vollzeitkräfte auf den genehmigten Stellenplan. Zu berücksichtigen ist, dass die Krankenstände seit der Pandemie deutlich gestiegen sind. Allein aus den Fehlzeiten berechnet, bräuchten wir rund vier Prozent mehr Personal. Und viele Pflegekräfte sind außerdem aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage Vollzeit zu arbeiten.
Wie sieht es mit Umsteigern aus?
Sungler: Das war in der ersten Covid-Phase ein Thema und ist auch gut angekommen. Viele haben erkannt, das könnte ein toller und sicherer Beruf sein. Diese Welle flacht derzeit ab.
Warum sind die Ambulanzen immer so stark belegt?
Sungler: Es ist die Vollkaskomentalität der Patienten, wo um 22 Uhr oder 2 Uhr früh die Entfernung eines Zecken, ein Fall für die Notfallambulanz wird. Nach dem Motto: „Ich bezahle ja eh dafür“. Es gibt sehr viele triviale Gründe, warum die Patienten kommen. Vorrangig wollen sie die Vorteile eines One-Stop-Shops genießen. Wir als Klinik haben den Nachteil, dass wir nachweisen müssen, dass diese Leute auch zum Hausarzt gehen könnten. Diese haben wiederum eingeschränkte Verfügbarkeiten. Ein teurer Kreislauf und die Wahlärzte überwuchern das System zusätzlich.
Ihr Apell in diesem Fall…?
Sungler: Es muss von den Patienten bitte vorher nachgedacht werden, ob manche Fälle nicht etwas warten können, bevor man ins Krankenhaus geht.
Seit der Pandemie ist das Thema der Intensivbetten stark in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Wie sieht die derzeitige Versorgungslage in Sachen Intensivbetten aus? Gibt es genug Kapazitäten und Personal?
Sungler: Covid spielt im Bereich der Intensivversorgung derzeit keine Rolle mehr. Dennoch sind viele Intensivbetten aufgrund Personalmangels gesperrt.
Hat sich durch die Pandemie die Zahl der Langlieger erhöht? Und welche Folgen hat so eine Entwicklung?
Sungler: Die Zahl der Langlieger hat sich dramatisch erhöht, weil die Senioren- bzw. Altenheime viele Betten sperren mussten. Dadurch ist der Abstrom nicht mehr gewährleistet. Es ist in der Bevölkerung zudem immer weniger die Bereitschaft Angehörige zu Hause zu versorgen. Das liegt auch an den sozialen Strukturen. Derzeit verliegen uns die Langlieger Akutbetten in einem Ausmaß dass wir demnächst auch einen landesweiten Gipfel zu diesem Thema haben werden. Denn eine rasche Änderung der Lage ist nicht in Sicht. Das Selbstverständnis der Bevölkerung ist offensichtlich, dass wir auch die sozialen Indikationen zu übernehmen haben, das können wir nicht mehr! Wenn jemand Entlassungsfähig ist, müssen wir einen Abstrom erreichen können. In der Orthopädie und Traumatologie sind wir überbelegt. Bei Langliegern fangen wir in der Regel - etwa in der Geriatrie – ab einem Zeitraum von zwei Monaten zu zählen an. Es mangelt auch von Seiten der Justiz, Erwachsenenvertreter rasch zu schicken. Daher können wir viele Patienten gar nicht verlegen. Das kostet uns rund 5.000 Belagstage pro Jahr.
Ein Blick in die Zukunft. Wie entwickelt sich die Infrastruktur der UNI-Klinik Salzburg?
Sungler: Wir haben einen sehr detaillierten Plan (UKS 2033). In diesem wurden Machbarkeit und Zeitpläne durchgespielt. Der Neubau der Inneren Medizin III ist fix. Die Psychiatrie in der CDK ist auf Spur, ebenso ist der Neubau der Forensik im Genehmigungsstadium und wird umgesetzt werden. Auch das Haus B muss neu gebaut werden, weil viele Stationen einfach nicht mehr zeitgemäß sind.
Sie hatten 2022 das Jahr der Digitalisierung ausgerufen. Was ist davon geblieben?
Sungler: Sehr viel! Wir sind beispielsweise beim digitalen Datentransfer federführend auf unserer E-Health Plattform. Hier kann etwa ein PET-CT, das extrem viel Datenvolumen beansprucht, oder auch eine Koronarangiografie oder eine Videoaufnahme einer Röntgenuntersuchung problemlos über einen Datenhighway nach München oder Wien gesendet werden. Vor gut zwei Jahren hatte eine Dame den PET CT ihres Vaters benötigt. Dieser konnte aufgrund der Datengröße nicht digital gesendet werden, sondern nur postalisch per CD-ROM. Wir sind derzeit die erste Universitätsklinik in Österreich, die im Verbund drei Roboter einsetzen kann. Wir operieren dazu etwa in Hallein vor allem gutartige Krankheiten, was bis jetzt eher selten war. Wir sehen den Vorteil in der Robotik darin, dass die Liegezeiten dramatisch verkürzt werden können, die Schmerzen geringer sind und sehen in dieser Entwicklung auch einen wirtschaftlichen Vorteil. Bei zahlreichen Eingriffen hat sich die Liegezeit durch den Einsatz der Robotik halbiert oder signifikant reduziert. Auch die virtuelle Sprechstunde wird sehr gut angenommen, etwa im Bereich der Psychotherapie.
Wie sieht die Entwicklung in Sachen 3D-Druck aus?
Sungler: Wir haben den Einsatz des 3D-Drucks stark gebündelt, weil dies mehrere Fachdisziplinen benötigen. Sehr intensiv wird dies genutzt seitens der Neurochirurgie, der Orthopädie und Traumatologie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, als auch der HNO, die interdisziplinär sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben weiters eigene IT-Mitarbeiter angestellt, die den Ärzten die mühsame Arbeit der Programmierung vom CT-Bild oder MR-Bild abnehmen können. Seit kurzem gibt es auch einen 3D-Drucker der Reinraumqualität hat. Das heißt, wir können sterile, implantierbare 3D-Implantate herstellen. Hier sind wir im Stadium der Zertifizierung nach dem Medizinproduktegesetz. Dank dieser Technik, können Chirurgen die anstehende Operation schon vorab simulieren.
Was ist ihnen noch wichtig?
Sungler: Dass bei der Bevölkerung ankommt, dass wir in eine Zeit gehen, die sich nicht schnell verbessern wird, weil wir nicht die Köpfe haben. Im Worst-Case-Szenario sind wir froh, wenn wir Mitarbeiter haben denen wir Gehälter auszahlen können. Denn wir haben hunderte unbesetzte Stellen in allen Bereichen – nicht bei Ärzten und Pflegern, sondern auch Haustechniker, IT-Fachleute und vieles mehr. Ich möchte betonen, dass die SALK ein vielfältiger und attraktiver Arbeitgeber für viele Berufsgruppen ist und wir Top- Leistungen erbringen.